Musikverein Reiskirchen
 

Wie Musiker richtig üben

“Ihr müsst üben!”, so sagen es Musiklehrer und Dirigenten immer wieder zu ihren Schülern und Musikern. Leicht gesagt, aber nicht immer so leicht getan.

Denn wie übt man eigentlich richtig, damit schwierige Passagen nach einiger Zeit auch tatsächlich klappen? Und was bedeutet Üben eigentlich?

Das Ziel des Übens ist es, bestimmte Verbindungen im Gehirn herzustellen und dauerhaft zu machen. Mit jeder Wiederholung einer schwierigen Passage wird die Verbindung stabiler. Gelingt das gut, kann man ein Stück auch nach einer längeren Pause schnell wieder gut spielen.

Um beim Üben Erfolg zu haben, muss man dafür eine bestimmte Zeit aufwenden. Zu viel ist aber auch nicht gut, d.h. sobald man merkt, dass man müde wird, sollte man eine Pause einlegen und das Üben erst wieder aufnehmen, wenn Geist oder Ansatzmuskulatur wieder erholt sind.
Die ideale Länge einer Übungseinheit liegt bei ca. 20 Minuten. Und ähnlich wie im Sport ist es auch in der Musik besser, 6 x 10 Minuten mit Pausen zu üben als 60 Minuten am Stück. Und wer die Pausen oder gar den Schlaf streicht, um Zeit zu sparen, spart am falschen Ende. Denn gerade im Schlaf wird das Gelernte gefestigt.

Und beim Üben muss man auch gar nicht immer selber aktiv sein. Denn Lerneffekte lassen sich auch erzielen, wenn man Musik hört und andere Musiker beobachtet. Denn Studien haben ergeben, dass beim eigenen Üben die gleichen Hirnareale aktiviert werden wie beim Hören des gleichen Stücks, das von einem anderen Musiker auf dem gleichen Instrument gespielt wird.
Natürlich reicht es nicht, ausschließlich mental zu üben, weil es insgesamt weniger effektiv als das eigene Üben ist. Zum mentalen Üben zählt man aber auch das auswendig Lernen von Stücken. Dabei verschafft man sich eine Vorstellung vom Klang und kann dies leichter vom Kopf in die Finger übertragen.

Wie sollte nun das Übungsprogramm gestaltet werden? Auf jeden Fall abwechslungsreich, d.h. man sollte unterschiedliche Stücke nacheinander üben und nicht immer das Gleiche. Und auch beim Rhythmus kann man mit Varianten arbeiten und z.B. Punktierungen oder andere Tempi bei gleichen Tönen ausprobieren. Auch Sprünge kann man mit einem Lauf ausfüllen oder mit Verziehrungen anreichern. So wird das Gehirn immer etwas anders gefordert, und es wird nie Langeweile beim Üben aufkommen.
Den Anfang und das Ende eines Stücks merkt man sich am besten. Deshalb sollte man beim Üben und Proben immer mal an verschiedenen Stellen des Stücks beginnen.

Und wie verfährt man mit technisch schwierigen Passagen? Diese sollte man in einzelne überschaubare Anteile zerlegen. Nur so kann man die Bewegungsabläufe lernen und die Koordination der Muskeln verbessern.
Bei Läufen übt man jeden einzelnen Übergang zwischen zwei benachbarten Noten, vor allem die schwierigsten Paare.

Langsames Spielen der schwierigen Passagen ist sicher auch eine gängige Praxis. Dabei sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass die langsame Version an einer anderen Stelle im Gehirn abgespeichert wird als die schnelle Version.

Es können bis zu 500 Wiederholungen notwendig sein, bis eine Passage sitzt. Denn das Kurzzeitgedächtnis behält die Informationen nur 20 Sekunden, und wichtige Sachen werden nur durch Aufmerksamkeit, Wiederholung und Emotionen dauerhaft abgespeichert.

Gruppierungen helfen ebenfalls dabei, die Merkfähigkeit zu steigern. Im Kurzzeitgedächtnis kann man sich zwischen 5 und 9 Einheiten merken. Und so hilft es auch, wenn man Passagen sucht, die sich wiederholen.

Wie verfährt man mit Fehlern, die beim Üben passieren? Diese sollte man sofort ausbessern, damit die falsche Version nicht abgespeichert wird. Man sollte sich dabei aber immer nur auf einen Fehler konzentrieren, diesen analysieren und die Passage danach richtig spielen.

Und wie ist es mit dem Gefühl, vor einem Auftritt, dass man alles vergessen hat? Dieses Gefühl kann man getrost ignorieren. Denn einstudierte Bewegungen kann man gar nicht vergessen. Sie sind zwar nicht bewusst verfügbar, aber  im entscheidenden Moment durchaus abrufbar.